Dienstag, 27. März 2007

Hallo Echo! Hallo Micha!

Bei Echo handelt es sich um eine Figur aus der griechischen Mythologie. Echo war von Zeus damit beauftragt seine Gattin Hera mit dem Erzählen von Geschichten zu unterhalten. In dieser Zeit konnte der kleine Nimmersatt Zeus in aller Ruhe seinen amouröse Abenteuern nachgehen. Tja, als es noch keine Überstunden gab, war man eben gezwungen kreativ zu sein. Natürlich flog der ganze Schwindel auf. Hera war furchtbar erbost, beraubte Echo ihrer Sprache und beließ ihr lediglich die Fähigkeit, die letzten an sie gerichteten Wörter zu wiederholen. Und als ob von dieser Unart ihre Gegenüber nicht schon genug genervt wären, benannte Hera auch noch den fürchterlichsten aller Musikpreise nach der bedauernswerten ECHO!
Ich zappte am Sonntag in die Verleihung des wichtigsten deutschen Musikpreises. Und es war ein schrecklicher Fehler. Seit dem WM-Halbfinale gegen Italien bin ich nicht mehr so erbost gewesen. Diese Preisverleihung war eine einzige Ansammlung des Schlimmsten, was Deutschland zu bieten hat. Bei jedem verliehenen nationalen Musikpreis musste ich mir die Frage stellen: Sind wir Deutschen wirklich eine so bodenlos unmusikalische Nation? Klar gewinnen überall die großen Mainstreamacts, aber während in England Muse oder Radiohead regelmäßig abräumen sind unsere Rekordgewinner Rammstein, Xaver Neubauer (auch Xavier Naidoo genannt) und Herbert Grönemeyer. Noch Fragen...
Kein Wunder, dass internationale Topacts die Zweitklassigkeit dieses Events erkannten und im besten Fall eine nette Videobotschaft als Dankeschön für "einen der weltweit bedeutendsten Musikpreise" (Yvonne Catterfeld) schickten. Warum Catterfeld diese Erkenntnis 32 mal an den Zuschauer weitergab, ist klar. Sie selbst durfte den ECHO ja auch schon in ihre Armee schließen. Was wiederum für die Qualität dieses Preises spricht.
Ansonsten war es ein wundervoller Abend für alle passionierten Fremdschämer!
Die Farce begann bei den Moderatoren:
Die erwähnte Catterfeld und der Botschafter des rosa Hemds Oli Geißen.Wundervoll peinlich war die Szene in der uns Oli Geißen väterlich erklärt, dass Fanta 4 den deutschen Rap erfunden haben, um dann auf seinem Spicker verzweifelt nach den Namen Thomas D. und Michi Beck zu suchen...
Aber die ausgezeichneten Künstler waren nicht minder nervig:
Gruppe National geht an Rosenstolz
Natürlich dürfen die Fressen von Tokio Hotel nicht fehlen.(Bestes Video)
Silbermond gewinnt zweimal, darunter den Preis für die beste Liveband. Offensichtlich hat die Jury nur voll- bestuhlte Konzerte besucht. Anders kann ich mir dieses absurde Ergebnis nicht erklären.
Bushido mimt für seine pubertierenden Gangstafans den Outlaw und gibt sich als der vom Establishment ungeladene Gast. Verdammt, dann sei doch wirklich cool und scheiß auf den Preis. So enttarnt er sich selbst auf herrliche Art und Weise. Er zeigt, dass Ghettostyle und Streetcredebility immer dort enden, wo es darum geht noch mehr Kohle zu verdienen. Also zeige dem Establishment nicht den Mittelfinger, denn du gehörst dazu!
Doch die größte Lawine aus Schamesröte und verlegenem zu Boden gucken sollte mit den Sonderpreisen erst noch auf uns zurollen:
Ralph Siegel erhält den Preis für sein "Lebenswerk". Er steht tattrig auf der Bühne, beginnt zu weinen, fabuliert von ein bisschen Friede, macht all seinen drei Frauen eine Liebeserklärung und sieht dabei aus wie Mr. Maulwurf aus
den Simpsons. Deutsche Produzenten (Bohlen/Siegel) vollbringen eben doch das Unmögliche und sind noch unerträglicher als deutsche Stars.
Als dann auch noch der Gutmensch Bono für seinen Helferkomplex geehrt wird, ist der Abend endgültig gelaufen.

Meine persönliche Top 5 der nervigsten "Musikbuisinessmenschen":
  1. Der gesamte Popstar-Superstar-Castingdreck-Kosmos der mit allem was dazugehört zu einem einzigen riesen Stück Scheiße komprimiert ist
  2. Dieter Bohlen (auch alleine ziemlich scheiße)
  3. Xaver Neubauer
  4. Schnappi und seine lustigen Klingeltonfreunde
  5. VIVA Programmdirektor (für die systematische Zerstörung des einstmal wundervollen Senders VIVA 2)

6 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Gang rausnehmen mein Freund, ich weiß, ich weiß, es ist nicht einfach mit dem Mainstream und all sowas! Micha, es ist gut, dass Bands, die wir in etwa abfeiern eben nicht die Preise abräumen, denn dann würden sie uns bald auch nicht mehr gefallen und so... hoffe du verstehst was ich meine. Auf der anderen Seite bleibe ich dabei, du musst nicht alle Bands mögen, die Preise gewinnen, aber freue dich, wenn es in einer Weise Guitarrenmusiker sind, vielleicht inspiriert das Jugendliche, die über z.B. Tokio Hotel zu gutem Rock kommen! Wir haben ja auch nicht mir Mr. Bungle und seinen Freunden gestartet ;D
Ich für meinen Teil war heute abend bei Marta und den Die Happies! Ich schreib bei Gelegenheit mal drüber!

Anonym hat gesagt…

Siegel für sein Lebenswerk, was waren das nicht für herrliche Songs von ihm, die er in den Siebzigern schrieb: Moskau, Moskau, werf die Gläser an die Wand, Moskau ist ein freies Land, hahahahaha...

Dsching-, Dsching-Dschingis Khan, hey Reiter, ho Reiter, hey Reiter, immer weiter, Dsching-, ...

Micha hat gesagt…

Hey Alessio,
muss dir schon Recht geben. Ich finde es an sich auch gut, wenn Pseudorockbands wie Juli oder Tokio Hotel usw. abgefeiert werden. ich glaube nämlich auch, dass viele ihre Fans dadurch auf den Geschmack kommen und irgendwann guten Rock hören. Die Musik in meiner frühen Jugend mit Pseudotechno und Boybandinvasion war jedenfalls schlimmer.
Zu den Mainstreambands: wollte nicht behaupten, dass jede mainstreamband mist ist. es gibt wirklich sehr gute (sollte darüber mal einen post machen) aber dein Vorwurf trifft natürlich schon etwas. Ich gehöre zweifelsfrei zu den arroganten Arschlöchern, die sich gern mal von einer Band abwenden, weil sie groß rauskommt. Das ist ziemlich elitäres Musiknaziverhalten. Aber ich versuche mich ja zu bessern. Die von mir angeprangerten Bands sind aber über jeden Zweifel erhaben! So sehr underground könnten die gar nicht sein, dass ich sie toll fände.

Micha hat gesagt…

Hey blogger ohne blog,
du stehst doch nur auf seine Tochter :-)

Unknown hat gesagt…

So krass vorwurfsvoll war das gar nicht gemeint, hab mich da auch etwas selbst ins Visier genommen! Und das mit diesen Bands und Underground Diskompatibilität ist auch richtig! Dafür gibt es mit Sicherheit (ich mache ein neues Fass auf) einige Bands, die das Underground-Etikett tragen, in Wirklichkeit aber in irgendeiner Weise gecastet sind...
Am Ende entscheiden Dinge wie der Sound, der Gesamteindruck, das Live-Verhalten (wie viele Bands sind vor allem live ein Erlebnis!) und die eigene Stimmung, wie man die Band grad findet!

Steini hat gesagt…

Genau! Wann hört Xavers pseudo-ach-ich-bin-so-gläubig Gedödel endlich auf? Eins muss man ihm lassen: es ist ihm gelungen, die Marktlücke Religion zu füllen - mit beschissenen Runterziehliedern, bei denen sich die Finger nach Anti-Depressiva krallenartig langmachen. Wenn ich morgens schon im Radio höre "Dieser Weg ist steinig und schwer" ist der Tag schon gelaufen. Und Tokio Hotel gehört gebadet, in einem riesigen Becken Abschminke!